Longevity (Langlebigkeit): Wie wir gesund alt werden (2024)


Manche Menschen werden über 100 Jahre und sind bis ins hohe Alter noch körperlich und geistig fit. Um zu den Hundertjährigen zu gehören, braucht es vermutlich die richtigen Gene. Doch auch der Lebensstil hat einen großen Einfluss darauf, ob wir gesund alt werden. Für Longevity – also Langlebigkeit – sind dabei nicht nur Ernährung, Bewegung und Schlaf wichtig, sondern auch soziale Kontakte und das Gefühl, einen Sinn im Leben zu haben.

Was bedeutet Longevity?

Longevity ist der englische Begriff für Langlebigkeit. Longevity beschreibt die Forschung und die Strategien dazu, wie Menschen lange leben und gesund alt werden können. Wenn Menschen sich Longevity zum Ziel machen, bedeutet das in der Regel, dass sie deutlich älter als die durchschnittliche Lebenserwartung werden möchten, also zum Beispiel über 90 Jahre alt. In Deutschland liegt die Lebenserwartung im Schnitt derzeit bei 78,3 Jahren für Männer und bei 83,2 Jahren für Frauen.

Auch in der Wissenschaft ist Longevity mittlerweile ein Trend. Langlebigkeitsforschung beschäftigt sich damit, warum manche Menschen länger leben als andere. Es geht darum, welche Faktoren rund um DNA, Ernährung, Bewegung und Lebensstil dazu beitragen, dass Menschen besonders alt werden – und auch länger fit und glücklich sind.

Longevity in den “Blue Zones”

Forschende, die sich mit Longevity befassen, untersuchen häufig die Menschen in den sogenannten “Blue Zones” (Englisch für “blauen Zonen”). Der US-amerikanische Journalist und Autor Dan Buettner zählt fünf Orte auf der Welt zu diesen Zonen – alles Orte, an denen es auffällig viele Menschen gibt, die über 100 werden. Buettner hat diese fünf Orte mit seinem Team besucht und erforscht.

Das sind die Blue Zones:

  • Okinawa, eine Insel im japanischen Pazifik, auch “Insel der Hundertjährigen” genannt
  • Die Nicoya-Halbinsel in Costa Rica
  • Loma Linda, eine Stadt in Kalifornien; fast die Hälfte der Bewohner*innen gehört der Glaubensgemeinschaft der Sieben-Tage-Adventisten an
  • Sardinien, eine italienische Insel; genauer gesagt die Bergregionen Ogliastra und Barbagia im Osten der Insel
  • Ikaria, eine griechische Insel

In den Blue Zones gibt es nicht nur auffällig viele Menschen über 100, auch die durchschnittliche Lebenserwartung ist deutlich erhöht. Unter den Adventisten im kalifornischen Loma Linda liegt sie zum Beispiel ganze 10 Jahre über dem Durchschnitt der USA.

Warum leben die Menschen in den Blue Zones so lange?

Dan Buettner und sein Team von Wissenschaftler*innen haben neun Faktoren beschrieben, die ihnen zufolge dazu beitragen, dass Menschen in den Blue Zones so häufig so alt werden [1]:

1. Bewegung im Alltag: In den Blue Zones laufen die Menschen keinen Marathon und treiben selten intensiven Kraftsport, aber sie bewegen sich viel in der Natur. Sie gehen zum Beispiel weite Strecken zu Fuß oder machen bis ins hohe Alter Gartenarbeit. Auf Sardinien trifft das zum Beispiel auf eine Gemeinschaft von Hirten zu, die mit ihren Tieren jeden Tag rund acht Kilometer durch bergiges Gelände wandern.
2. Der Sinn des Lebens: Zur Longevity trägt vermutlich ein Gefühl von Sinnhaftigkeit bei – zu wissen, warum man morgens aufsteht und tut, was man tut. In Nicaya nennt man das “plan de la vida”, auf Okinawa heißt es “Ikigai”. Es geht darum, jeden Tag Dinge zu tun, die Erfüllung und Sinn spenden.
3. Auszeiten: In den meisten Blue Zones gibt es klar definierte Zeiten, in denen geruht wird. Stress zu reduzieren scheint einen großen Einfluss auf die Lebenserwartung zu haben. Auf Ikaria ist beispielsweise der Mittagsschlaf am späten Nachmittag ein fester Teil des Tages. Und die Adventisten von Loma Linda halten einen strengen Sabbat, ruhen also vom Freitagabend bis zum Samstagabend.
4. 80-Prozent-Regel: Diese Regel wird Konfuzius zugeschrieben und besagt, man solle essen, bis der Magen zu 80 Prozent voll sei. Es geht also vor allem darum, nicht zu viel zu essen, nicht zu viele Kalorien zu sich zu nehmen und Übergewicht zu vermeiden.
5. Pflanzenbasierte Ernährung: Auf Sardinien und Ikaria ist eine mediterrane Diät üblich, mit vielen Hülsenfrüchten, Gemüse, Obst, Olivenöl. Die Menschen dort trinken gemäßigte Mengen von Wein und essen selten Fleisch. Die Adventisten in Loma Linda ernähren sich in der Regel vegetarisch oder vegan und verzichten auf Alkohol und Tabak.
6. Verantwortungsvolles Trinken: Ob Wein in gemäßigter Menge zu einem langen Leben beiträgt, ist in der Forschung heute umstritten. Die Menschen in den Blue Zones – mit Ausnahme der Adventisten von Loma Linda – trinken regelmäßig in Gesellschaft oder zum Essen kleine Mengen Alkohol, zum Beispiel Wein oder japanischen Sake.
7. Glaubensgemeinschaft: Die meisten über 100-Jährigen, die Dan Buettners Team interviewt hat, gehörten zu einer spirituellen oder religiösen Gemeinschaft – für die Longevity spielt es aber wohl keine Rolle, welcher Konfession oder Religion man angehört.
8. Familienzusammenhalt: Die über 100-Jährigen sind meist lange mit ihren Lebenspartner*innen zusammen. In den Blue Zones leben Kinder auch häufig mit alternden Eltern und Großeltern in einem Haushalt, was die Lebenserwartung von allen Beteiligten zu erhöhen scheint.
9. Gemeinschaft und soziales Engagement: In den Blue Zones gehören die Menschen oft Gemeinschaften an, in denen sie sozialen Rückhalt finden. Zum Beispiel gibt es auf Okinawa die “moais” – das sind Gruppen von fünf Menschen, die ihr Leben lang füreinander sorgen, sich in in fanziellen Notlagen aushelfen und sich teilweise täglich treffen.

    Auch interessant: In den Blue Zones liegt der Lebensmittelpunkt der Menschen meist im Umkreis von 8 Kilometern (5 Meilen) um ihren Geburtsort, hier verbringen die Bewohner*innen rund 90 Prozent ihrer Zeit.

    Die Startvorteile der Hundertjährigen

    Die Blue Zones können uns als Inspiration für Longevity dienen. Ihnen zu 100 Prozent nachzueifern, wird aber kaum gelingen. Das liegt schon an einigen Vorteilen, die man dort quasi von Geburt an mitbekommt:

    • Alle Blue Zones liegen in warmen und sonnenreichen Regionen.
    • Die Menschen dort leben in kleinen, relativ unabhängigen Gemeinschaften mit einem starken sozialen Zusammenhalt.
    • Trotzdem haben sie Zugang zu medizinischer Versorgung, sauberem Wasser und anderen modernen Errungenschaften, die die Lebenserwartung steigern.
    • Gesunde Lebensweisen sind fest in die Kulturen der Blue Zones eingebunden, die Menschen lernen sie von klein auf.

    Longevity und die Gene

    Die Longevity-Forschung beschäftigt sich natürlich auch damit, warum bestimmte Menschen so alt werden und so lange fit bleiben.

    Um ein Alter weit jenseits der 90 zu erreichen, brauchen Sie vermutlich eine gewisse genetische Veranlagung. Wissenschaftler*innen haben eine Reihe von genetischen Variationen entdeckt, die sich häufig bei sehr alten Menschen finden. Diese Genvarianten verlangsamen vermutlich das Altern und schützen vor einer Reihe von Krankheiten. Forschende haben unter anderem beobachtet: Wenn Menschen in ihren 80ern noch fit und gesund sind, ist die Wahrscheinlichkeit hoch, dass es ihren Eltern und Großeltern ähnlich erging [2].

    Die DNA lässt sich nicht verändern. Es wird allerdings auch daran geforscht, ob sich die Effekte der entsprechenden Gene nachahmen lassen – und damit zum Beispiel Medikamente oder Nahrungsergänzungsmittel möglich wären, die unsere Alterung verlangsamen.

    Longevity und Lebensstil: Was tun, um lange zu leben?

    Die individuelle Lebenserwartung hängt sehr stark vom Lebensstil ab – von Ernährung, Bewegung, Schlaf, Stress und auch dem sozialen Umfeld. Großen Studien zufolge kann ein gesunder Lebensstil die Lebenserwartung um bis zu 10 Jahre erhöhen. Selbst wenn Sie nicht die besten Gene für Langlebigkeit haben, lohnen sich gesündere Gewohnheiten also immer [3], [4].

    Alles, was das Risiko von potentiell tödlichen Krankheiten senkt, trägt auch zur Longevity bei. Die beiden häufigsten Todesursachen in Europa sind Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Krebs. Zusammen waren sie laut Statistischem Bundesamt 2022 für rund 55 Prozent der Todesfälle in Deutschland verantwortlich [5].

    Dazu kommen Krankheiten wie Demenz, ein erhöhtes Risiko für Knochenbrüche, ein Verlust von Muskelmasse – alles Faktoren, die dazu führen, dass wir im Alter gebrechlich werden. Die Maßnahmen, die wir hier vorstellen, tragen in erster Linie dazu bei, Prävention für solche und ähnliche Krankheiten und Probleme zu betreiben und so zur Longevity beizutragen.

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    Risikofaktoren vermeiden

    Das ist die wohl naheliegendste Maßnahme: Meiden Sie Faktoren, die ganz direkt das Risiko für tödliche Krankheiten erhöhen. Dazu gehören vor allem Rauchen, Alkoholkonsum und andere Drogen.

    Ernährung

    Studien aus den letzten Jahren zeigen, dass bestimmte Ernährungsweisen dazu beitragen, Krankheiten vorzubeugen und länger zu leben – diese Studien decken sich in weiten Teilen auch mit den Beobachtungen aus den Blue Zones und der mediterranen Ernährung [6].

    Wissenschaftler*innen beschäftigen sich auch damit, ob die Versorgung mit bestimmten Nährstoffen zur Langlebigkeit beitragen kann. Studien legen zum Beispiel nahe, dass es die Lebenserwartung erhöhen könnte, langfristig einen Vitamin-D-Mangel zu vermeiden und ein möglichst ausgeglichenes Verhältnis zwischen Omega-3-Fettsäuren und Omega-6-Fettsäuren zu schaffen. Förderlich für die Longevity ist es möglicherweise auch, wenn die Eisenwerte eher im niedrigen Bereich sind, ohne dass ein Eisenmangel besteht [7], [8].

    Das sind einige Ernährungs-Grundsätze, die zur Longevity beitragen [9],[10]:

    • Weniger Tierisches, mehr Pflanzen. Ernähren Sie sich größtenteils von frischem Gemüse und Obst, Hülsenfrüchten, Vollkornprodukten und Nüssen .Empfehlenswert sind auch Fisch, Leinöl oder andere Quellen von Omega-3-Fettsäuren.
    • Weniger Kalorien, mehr Nährstoffe: In westlichen Ländern nehmen wir im Schnitt zu viele Kalorien zu uns. Was hilft: Mahlzeiten, die vor allem aus Gemüse bestehen. Sie liefern jede Menge Nährstoffe bei einer geringen Kaloriendichte.
    • Mehr frisch kochen: Frische pflanzliche Lebensmittel liefern Ihnen unter anderem Vitamine, Mineralstoffe, Antioxidantien und gesunde Fette. Kochen Sie möglichst viel mit solchen frischen Zutaten, meiden Sie stark verarbeitete Produkte.

    Was ist mit dem Körpergewicht? Studien zeigen, dass es zur Longevity beiträgt, weder untergewichtig noch fettleibig zu sein. Sieht man sich den Body Mass Index (BMI) an, wäre also ein BMI im Normalgewicht-Bereich (18,5-24,9) empfehlenswert. Einige neuere Studien zeigen allerdings, dass sich ein leichtes Übergewicht (BMI zwischen 25 und 28) häufig nicht negativ auf die Lebenserwartung auswirkt [11].

    Schlaf

    Ausreichend erholsamer Schlaf scheint wichtig für die Longevity zu sein. Forschende haben immer wieder einen Zusammenhang zwischen gesundem Schlaf und einem niedrigeren Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen festgestellt [12].

    Die übliche Empfehlung ist: Zwischen 7 und 8 Stunden pro Nacht schlafen. Studien zeigen, dass sich eine Schlafzeit unter 6 oder über 9 Stunden negativ auf die Langlebigkeit auswirken kann. Das sind natürlich Durchschnittswerte – in seltenen Fällen kann es Menschen geben, die mit weniger oder mehr Schlaf gut auskommen [11].

    Außerdem ist es empfehlenswert, Ihren Schlafrhythmus um Ihren eigenen Chronotypen, also Ihre innere Uhr, herum zu gestalten, wenn das im Alltag möglich ist. Sprich: Sind Sie zum Beispiel von Natur aus eine ausgeprägte Nachteule, bekommt es Ihnen nicht gut, wenn Sie versuchen, möglichst früh ins Bett zu gehen und früh aufzustehen.

    Wenn Sie Probleme mit dem Schlafen haben, finden Sie hier unsere 11 Tipps zum Einschlafen und Durchschlafen.

    Bewegung und Aktivität

    Was die Hundertjährigen oft gemein haben: Sie waren bis ins hohe Alter hinein aktiv und in Bewegung. In den Blue Zones betreiben die Menschen oft Gartenarbeit, handwerken und wandern durch Berglandschaften. Sie gehen viel, sind viel draußen, sind im Alltag aktiv. Das lässt sich mit einem Bürojob schwer abbilden. Doch viel Alltagsbewegung und regelmäßiger Sport tragen ebenso zur Longevity bei.


    Studien bestätigen, dass Bewegung zur Longevity beiträgt. Die Autor*innen einer Studienanalyse schätzen, dass regelmäßige körperliche Aktivität die Lebenserwartung um 2 bis 4 Jahre erhöht [13]. In einer großen Beobachtungsstudie an mehr als 110.000 US-Amerikaner*innen zeigte sich: Den maximalen Nutzen für die Longevity hatten nicht nur die, die sehr viel trainierten – sondern auch die, die mittleres bis intensives Training (wie Joggen, Krafttraining, Fußball, sportliches Radfahren) mit moderater Bewegung (wie zügiges Spazierengehen, entspanntes Radfahren, Schwimmen) kombinierten [14].

    Diese Kombination können Sie zum Beispiel schon erreichen, wenn Sie zweimal pro Woche Kraft- oder Ausdauertraining betreiben und zusätzlich jeden Tag eine halbe Stunde zügig spazieren gehen. Mehr Bewegung schadet den meisten Menschen ebenfalls nicht und kann viele andere Vorteile für die Gesundheit haben. Die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt mindestens 150 bis 300 Minuten moderate oder 75 bis 150 Minuten intensive Aktivität oder eine Kombination aus beidem.

    Tipp: Bewegung messen. Manche Menschen motiviert es, messen zu können, wie viel sie sich bewegen. Wearables wie Smartwatches können Ihnen ein gutes Bild davon geben, wie aktiv sie sind. Die meisten Smartphones haben zumindest einen Schrittzähler – damit können Sie sich bereits ein Ziel für eine tägliche Schrittzahl setzen und testen, ob Sie das ansp*rnt.

    Stress senken

    Chronischer Stress kann Studien zufolge dazu führen, dass unser Körper schneller altert. Außerdem trägt er dazu bei, dass psychische Krankheiten wie Angststörungen und Depressionen entstehen, die ihrerseits ebenfalls die Lebenserwartung senken [15], [16].

    Entscheidend ist, wie Sie den Stress managen. Einige Wissenschaftler*innen vermuten, dass gestresste und psychisch kranke Menschen oft ungesunde Gewohnheiten entwickeln, zum Beispiel zu Alkohol und Drogen greifen, sich einseitig ernähren und sich wenig bewegen. Wenn Sie psychischen Problemen mit gesünderen Maßnahmen begegnen, ist der Effekt auf Ihre Langlebigkeit vermutlich deutlich weniger groß.

    So können Sie Stress managen und vorbeugen:

    • Suchen Sie sich Hilfe! Sprechen Sie mit Freund*innen und Familie über Ihre Situation. Und scheuen Sie sich nicht, Ihre*n Hausärzt*in aufzusuchen und sich gegebenenfalls eine Therapie verschreiben zu lassen.
    • Bewegen Sie sich regelmäßig. Wenn Sie sich gestresst fühlen, kann ein Spaziergang oder eine Sporteinheit sich positiv auf Ihre Stimmung auswirken und Stresshormone abbauen.
    • Suchen Sie gezielt Ausgleich. Probieren Sie zum Beispiel Entspannungstechniken wie Yoga, Meditation oder autogenes Training aus. Üben Sie sich in Achtsamkeit.
    • Beseitigen Sie die Ursachen. Versuchen Sie, herauszufinden, wo der Stress herkommt und gehen Sie die Probleme an. Das ist oft schwierig, vor allem, wenn es Stress im Beruf gibt. Wenn Sie aber nichts an Ihrer Situation ändern, ist die Gefahr groß, dass der Stress immer wieder kommt.

    In unserem Gesundheitsportal finden Sie außerdem unsere 10 Tipps für weniger Stress im Alltag.

    Soziale Kontakte

    Ob über Familie, Freund*innen, Hobbys – soziale Kontakte tun uns Menschen gut. In vielen Studien war der soziale Rückhalt genauso entscheidend oder sogar entscheidender für die Langlebigkeit als Ernährung und Bewegung. Soziale Kontakte und das Gefühl, zu einer Gemeinschaft zu gehören, schützen vor Stress und versorgen uns mit Glückshormonen. So kann sich das Zwischenmenschliche vermutlich auf das Risiko für Übergewicht, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Entzündungen auswirken [17].

    Einsamkeit auf der anderen Seite wird immer mehr zu einem gesundheitlichen Problem. Vor allem unter älteren Menschen, die relativ isoliert leben, sorgt sie für Depressionen und andere psychische Probleme. Eine Studie an mehr als 21.000 älteren Chines*innen untersuchte das und fand heraus, dass diejenigen, die fast jeden Tag sozialen Aktivitäten nachgingen, im Schnitt länger lebten [18].

    Es lohnt sich also, soziale Kontakte zu pflegen, Aktivitäten mit anderen Menschen zu planen und zum Beispiel in Vereinen und anderen Organisationen aktiv zu sein.

    Wie alt können Menschen eigentlich werden?

    Heute liegt die Lebenserwartung weltweit bei 72,8 Jahren – zumindest laut Daten, die 2021 erhoben wurden. In Deutschland liegt sie bei 78,3 Jahren für Männer und bei 83,2 Jahren für Frauen. In diese Statistiken fließen aber auch Menschen ein, die jung sterben. Wer erstmal ein gewisses Alter erreicht, hat deswegen etwas längere Aussichten: Wer 60 ist, lebt als Mann im Schnitt noch rund 21,5 Jahre, als Frau noch rund 25 Jahre [19].

    Blockquote: Lebenserwartung während der COVID-19-Pandemie. Während der Pandemie ist die Lebenserwartung weltweit gesunken, auch in Deutschland. Mittlerweile hat sich die Lage aber stabilisiert und der Trend ist wieder positiv.

    Die durchschnittliche Lebenserwartung sagt aber nicht viel darüber aus, wie alt Menschen in einzelnen Fällen werden können. Die Ältesten erreichen ein Alter von mehr als 110 Jahren. Man bezeichnet sie auch mit dem englischen Begriff “Supercentenarians”. Schätzungen zufolge gibt es auf der ganzen Welt 300 bis 450 von ihnen, mehr als 90 Prozent davon sind Frauen.

    Statistiker*innen schätzen, dass ungefähr 1 von 100 Männern und 3 von 100 Frauen, die im Jahr 2019 geboren wurden, 100 Jahre oder älter werden. Wer das 100. Lebensjahr erreicht, hat statistisch gesehen eine Wahrscheinlichkeit von zwischen 0,15 und 0,25 Prozent, 110 zu werden [20].

    Was war das höchste je gemessene Alter?

    Die längste Lebensspanne, die zuverlässig dokumentiert wurde, liegt bei 122 Jahren und 164 Tagen – so alt wurde die Französin Jeanne Calment, die von 1875 bis 1997 lebte. Calment fuhr noch als 100-Jährige mit dem Fahrrad. Nach eigenen Angaben tat sie nie etwas Besonderes, um sich gesund zu halten. Sie aß zwar viel Olivenöl und Knoblauch, war aber auch mehr als 100 Jahre lang Raucherin. Das alleine zeigt schon, dass es nie ein einzelner Faktor ist, der das hohe Alter ermöglicht – sondern immer ein Zusammenspiel aus Genen, Lebensstil und Glück.

    Warum werden Frauen im Schnitt älter als Männer? Vermutlich tragen sowohl Lebensstil als auch Biologie dazu bei. Männer rauchen und trinken mehr, holen sich seltener ärztliche Hilfe und sterben häufiger durch Unfälle und Gewalttaten. Doch auch biologische Faktoren werden untersucht, unter anderem Hormone. Das weibliche Sexualhormon Östrogen regt das Immunsystem an und wirkt antioxidativ. Das könnte der Grund dafür sein, dass Frauen öfter unter Autoimmunerkrankungen leiden. Östrogen schützt auf diese Weise aber womöglich vor Infektionen [21], [22].

    Wie alt wurden die Menschen früher?

    Der moderne Mensch entwickelte sich vermutlich vor rund 200.000 Jahren. Viele Wissenschaftler*innen glauben, dass sich unsere maximale Lebensspanne seitdem kaum verändert hat – wir sind heute nur deutlich besser darin, uns am Leben zu erhalten.

    Die durchschnittliche Lebenserwartung unserer Vorfahren lag Jahrtausendelang vermutlich um die 30 Jahre – das liegt aber vor allem daran, dass sehr viele damals im Kindesalter gestorben sind, vor allem an Infektionskrankheiten. Auch später war das Leben gefährlich, vor allem für junge Erwachsene. Das Risiko war hoch, auf der Jagd oder im Krieg zu sterben, an Infektionen oder Hunger, für Frauen auch während Schwangerschaft und Geburt [23].

    Wir wissen aus Aufzeichnungen und Analysen von gut erhaltenen Toten, dass es im alten Rom bereits Menschen gab, die älter als 70 oder 80 wurden [24]. Wer damals die gefährliche Kindheit überlebt hatte, wurde im Durchschnitt vermutlich immerhin um die 50 Jahre alt [25]. Die meiste Zeit der Menschheitsgeschichte war die Lebenserwartung junger Erwachsener vermutlich noch etwas geringer: Ausgrabungen aus der Steinzeit lassen vermuten, dass nur eine Minderheit der Menschen damals älter als 40 wurde.

    Eine etwas höhere Lebenserwartung haben Forschende an isolierten Völkern festgestellt, die heute noch nicht in industrialisierten Zivilisationen leben – und damit ohne moderne Medizin. Wissenschaftler*innen haben zum Beispiel bei zwei solcher Gruppen beobachtet, dass Jungen, die bis zum 15. Lebensjahr überlebt haben, im Schnitt zwischen 51 und 58 Jahre alt werden. Frauen, die bis zum 45. Lebensjahr überleben, werden in diesen Gruppen im Schnitt 65 [23].

    Quellen

    [1] D. Buettner und S. Skemp, „Blue Zones“, Am J Lifestyle Med, Bd. 10, Nr. 5, S. 318–321, Juli 2016, doi: 10.1177/1559827616637066.

    [2] P. Sebastiani u.a., „Genetic Signatures of Exceptional Longevity in Humans“, PLoS ONE, Bd. 7, Nr. 1, S. e29848, Jan. 2012, doi: 10.1371/journal.pone.0029848.

    [3] Y. Li u.a., „Healthy lifestyle and life expectancy free of cancer, cardiovascular disease, and type 2 diabetes: prospective cohort study“, BMJ, Bd. 368, S. l6669, Jan. 2020, doi: 10.1136/bmj.l6669.

    [4] J. Wang u.a., „Healthy lifestyle in late-life, longevity genes, and life expectancy among older adults: a 20-year, population-based, prospective cohort study“, The Lancet Healthy Longevity, Bd. 4, Nr. 10, S. e535–e543, Okt. 2023, doi: 10.1016/S2666-7568(23)00140-X.

    [5] „Todesursachen“, Statistisches Bundesamt. Zugegriffen: 14. Mai 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Gesundheit/Todesursachen/_inhalt.html

    [6] L. J. Dominguez, G. Di Bella, N. Veronese, und M. Barbagallo, „Impact of Mediterranean Diet on Chronic Non-Communicable Diseases and Longevity“, Nutrients, Bd. 13, Nr. 6, Art. Nr. 6, Juni 2021, doi: 10.3390/nu13062028.

    [7] J. P. Sutherland, A. Zhou, und E. Hyppönen, „Vitamin D Deficiency Increases Mortality Risk in the UK Biobank“, Ann Intern Med, Bd. 175, Nr. 11, S. 1552–1559, Nov. 2022, doi: 10.7326/M21-3324.

    [8] D. Mangan, „Iron: an underrated factor in aging“, Aging (Albany NY), Bd. 13, Nr. 19, S. 23407–23415, Okt. 2021, doi: 10.18632/aging.203612.

    [9] L. T. Fadnes, J.-M. Økland, Ø. A. Haaland, und K. A. Johansson, „Estimating impact of food choices on life expectancy: A modeling study“, PLOS Medicine, Bd. 19, Nr. 2, S. e1003889, Feb. 2022, doi: 10.1371/journal.pmed.1003889.

    [10] J. L. Dorling, C. K. Martin, und L. M. Redman, „Calorie restriction for enhanced longevity: The role of novel dietary strategies in the present obesogenic environment“, Ageing Res Rev, Bd. 64, S. 101038, Dez. 2020, doi: 10.1016/j.arr.2020.101038.

    [11] R. Fernández-Ballesteros, E. Valeriano-Lorenzo, M. Sánchez-Izquierdo, und J. Botella, „Behavioral Lifestyles and Survival: A Meta-Analysis“, Front. Psychol., Bd. 12, Feb. 2022, doi: 10.3389/fpsyg.2021.786491.

    [12] J. Yin u.a., „Relationship of Sleep Duration With All‐Cause Mortality and Cardiovascular Events: A Systematic Review and Dose‐Response Meta‐Analysis of Prospective Cohort Studies“, Journal of the American Heart Association, Bd. 6, Nr. 9, S. e005947, doi: 10.1161/JAHA.117.005947.

    [13] C. D. Reimers, G. Knapp, und A. K. Reimers, „Does Physical Activity Increase Life Expectancy? A Review of the Literature“, J Aging Res, Bd. 2012, S. 243958, 2012, doi: 10.1155/2012/243958.

    [14] D. H. Lee u.a., „Long-Term Leisure-Time Physical Activity Intensity and All-Cause and Cause-Specific Mortality: A Prospective Cohort of US Adults“, Circulation, Bd. 146, Nr. 7, S. 523–534, Aug. 2022, doi: 10.1161/CIRCULATIONAHA.121.058162.

    [15] L. R. Polsky, K. E. Rentscher, und J. E. Carroll, „Stress-induced biological aging: A review and guide for research priorities“, Brain, Behavior, and Immunity, Bd. 104, S. 97–109, Aug. 2022, doi: 10.1016/j.bbi.2022.05.016.

    [16] S. M. Meier, M. Mattheisen, O. Mors, P. B. Mortensen, T. M. Laursen, und B. W. Penninx, „Increased mortality among people with anxiety disorders: total population study“, The British Journal of Psychiatry, Bd. 209, Nr. 3, S. 216–221, Sep. 2016, doi: 10.1192/bjp.bp.115.171975.

    [17] J. Vila, „Social Support and Longevity: Meta-Analysis-Based Evidence and Psychobiological Mechanisms“, Front. Psychol., Bd. 12, Sep. 2021, doi: 10.3389/fpsyg.2021.717164.

    [18] Z. Wang, Y. Zheng, H. Ruan, L. Li, L. Duan, und S. He, „Association between social activity frequency and overall survival in older people: results from the Chinese Longitudinal Healthy Longevity Survey (CLHLS)“, J Epidemiol Community Health, Bd. 77, Nr. 5, S. 277–284, Mai 2023, doi: 10.1136/jech-2022-219791.

    [19] „Sterbefälle und Lebenserwartung“, Statistisches Bundesamt. Zugegriffen: 13. Mai 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://www.destatis.de/DE/Themen/Gesellschaft-Umwelt/Bevoelkerung/Sterbefaelle-Lebenserwartung/_inhalt.html

    [20] H. Maier, B. Jeune, und J. W. Vaupel, Hrsg., Exceptional Lifespans. in Demographic Research Monographs. Cham: Springer International Publishing, 2021. doi: 10.1007/978-3-030-49970-9.

    [21] M. Luy und K. Gast, „Do women live longer or do men die earlier? Reflections on the causes of sex differences in life expectancy“, Gerontology, Bd. 60, Nr. 2, S. 143–153, 2014, doi: 10.1159/000355310.

    [22] S. Dattani, L. Rodés-Guirao, und M. Roser, „Why do women live longer than men?“, Our World in Data, März 2024, Zugegriffen: 15. Mai 2024. [Online]. Verfügbar unter: https://ourworldindata.org/why-do-women-live-longer-than-men

    [23] H. Kaplan, K. Hill, J. Lancaster, und A. M. Hurtado, „A Theory of Human Life History Evolution: Diet, Intelligence, and Longevity“.

    [24] C. Cave und M. Oxenham, „Sex and the elderly: Attitudes to long-lived women and men in early Anglo-Saxon England ☆“, Journal of Anthropological Archaeology, Bd. 48, S. 207–216, Sep. 2017, doi: 10.1016/j.jaa.2017.08.003.

    [25] M. T. Boatwright, Imperial Women of Rome: Power, Gender, Context. Oxford University Press, 2021.

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